Den eigenen Lebensraum gestalten

Pilotprojekt „Jugenddialoge auf Landkreisebene“ evaluiert

Prof. Rolf Ahlrichs ist Studiengangsleiter BA Soziale Arbeit und Internationale Soziale Arbeit. Er promovierte zum Thema Demokratiebildung für Jugendliche und gehört dem bundesweiten Wissenschaftsnetzwerk Kinder- und Jugendarbeit an. Petra Sievers und Lena Ebert sind Akademische Mitarbeiterinnen im Institut für Angewandte Forschung (IAF) der EH Ludwigsburg.

Jugendliche haben zwar kein Wahlrecht, aber viele engagieren sich für gesellschaftliche Ziele und nehmen auf diese Weise Einfluss auf das politische System. Formate der Jugendbeteiligung machen es jungen Menschen möglich, ihre Meinung zu sagen, ihre Interessen zu vertreten, mitzugestalten und Politik zu beeinflussen. Genau darum ging es beim Pilotprojekt „Jugenddialoge auf Landkreisebene“: Jugendliche sollen auf kommunaler Ebene die Möglichkeit haben, sich politisch stärker zu beteiligen. Es wurde vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg gefördert und unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf Ahlrichs von Petra Sievers und Lena Ebert vom Institut für Angewandte Forschung (IAF) der EH Ludwigsburg evaluiert.

Im Frühjahr 2022 haben sich acht Landkreise in Baden-Württemberg (Bodenseekreis, Landkreise Emmendingen, Esslingen, Freudenstadt, Konstanz, Lörrach, Reutlingen, Rhein-Neckar) und das Institut für angewandte Sozialwissenschaften Stuttgart zusammengetan, um unterschiedliche Beteiligungsformate umzusetzen. 2500 Jugendliche haben mitgemacht. Es gab eine große Jugendklimakonferenz, regelmäßig tagende Jugendgremien und -politiktage, zudem digitale Treffen, Arbeitsgruppen und Workshops zu ganz unterschiedlichen Themen, und immer ging es darum, dass Jugendliche sich als Handelnde wahrnehmen, Einfluss nehmen und gehört werden. Auch im Austausch mit Politiker:innen, „schließlich sind sie die Experten ihrer eigenen Lebenswelt“, so Rolf Ahlrichs.

Wichtig war vielen jungen Menschen (64%), dass Projekte in ihrem Landkreis nicht nur eine Idee bleiben, sondern auch umgesetzt werden und sie damit den eigenen Lebensraum mitgestalten können. So erfahren sie Selbstwirksamkeit. Welche Idee wo umgesetzt wurde und wird, war auf der Website abrufbar, bloß nutzten die nur wenige. „Jugendliche gehen davon aus, dass Nachrichten, wenn sie wichtig sind, zu ihnen kommen“, lernte Ahlrichs, „über Tiktok, YouTube und Instagram“.
Jugendliche wachsen in Zeiten multipler Krisen auf, die sie verunsichern. Und sie suchen nach Antworten. Bei den Befragten ist nur ein Drittel (35%) zufrieden mit unserer Demokratie, 38% sind unentschlossen und 27% unzufrieden. „Die Demokratiezufriedenheit von Jugendlichen unterscheidet sich nicht groß von der von Erwachsenen. Wenn ich das Gefühl habe, ich kann nichts ausrichten, dann bin ich unzufrieden. Wenn ich aber das Gefühl habe, ich kann meinen Teil beitragen in meinem Stadtteil, in meinem Dorf, an meiner Schule oder im Verein, dann bin ich zufriedener.“ Andererseits schätzen Jugendliche ihr Wissen über Politik doch relativ groß ein, 75 % der Befragten geben an, dass sie „sehr viel“ oder zumindest „einiges“ über Politik wissen.

Das Ergebnis der Evaluation wurde von den Forschenden Ende Juli 2024 präsentiert und mit allen Beteiligten der acht Pilotlandkreise, Sozialminister Manne Lucha (MdL) und anderen Landtagsabgeordneten sowie Prof. Dr. Alexis v. Komorowski (Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Baden-Württemberg) diskutiert. Die Ergebnisse können hier abgerufen werden: www.eh-ludwigsburg.de/jugenddialoge