In den meisten Kirchengemeinden arbeiten Menschen aus verschiedenen Berufen miteinander, zum Beispiel eine Pfarrerin mit einem Diakon oder einer Gemeindepädagogin, mit der Kirchenmusikerin, dem Mesner oder auch den Reinigungskräften. Nun wird die Kirche kleiner, die Zahl der Mitglieder sinkt und damit auch die finanziellen Möglichkeiten. Fachkräfte fehlen ohnehin überall. Einige evangelische Landeskirchen in der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) haben darum Modelle entwickelt, wie die Arbeit in der Kirche zukünftig neu organisiert werden kann, nämlich im Team. Dabei kommt es auf die Kompetenzen und Interessen der Teammitglieder an. Wenn alle einbringen, was sie gut können, und dabei gut aufeinander achten, ist mehr möglich als bisher. So können ausreichend Menschen in der Kirche beschäftigt werden, auch in verantwortlichen Positionen. Das macht kirchliche Berufe insgesamt attraktiver.
Im Forschungsprojekt „Multiprofessionelle Teamarbeit in der evangelischen Kirche“ werden diese Modelle untersucht: Prof. Dr. Claudia Schulz und Tabea Spieß befragen und beobachten seit März 2023 kirchliche Teams in drei evangelischen Landeskirchen: in Westfalen, Kurhessen-Waldeck und Anhalt. Sie sprechen mit Fachkräften und Ehrenamtlichen vor Ort: Wie läuft die Zusammenarbeit, welche guten Erfahrungen gibt es und welche schwierigen Momente.
Jetzt ist das Projekt in der Phase der Auswertung. Teamarbeit klingt schön, ist aber nicht ganz leicht: Viele sind es gewohnt, dass Pfarrerinnen und Pfarrer eine Schlüsselposition haben oder eine besondere Symbolkraft. Aber damit werden andere schnell zur Assistenz, was für gut qualifizierte Fachkräfte nicht passt. Andere wiederum sind eine echte Zusammenarbeit über einfache Absprachen hinaus nicht gewohnt. All das braucht Geduld, die nicht alle immer aufbringen.
Für die Landeskirchen und ihre Gemeinden ist es nicht leicht, das Gefüge aus kirchlichen Berufen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Viele Strukturen sind nicht noch nicht flexibel genug, es braucht mehr Rechte für Hauptamtliche neben dem Pfarrberuf, ebenso Fortbildungsangebote, wo Fachkräfte in einer neuen Situation neue Kompetenzen benötigen. Neue Formate für Besprechungen und Vernetzungen müssen entstehen.
Diakonische und gemeindepädagogische Berufe können vieles einbringen: Neben pädagogischem Know-How wissen sie, wie man sich mit anderen Playern am Ort vernetzt, wie man Menschen beteiligt und auch die sozialen Verhältnisse im Auge behält. In vielen Landeskirchen werden die Grenzen zwischen den Berufen durchlässig: Wenn die Diakonin Seelsorge in Altenheimen anbietet und Kontakte zu Angehörigen knüpft, kann sie durchaus auch die Beerdigung übernehmen. Wenn der Jugendreferent mit Kindern und ihren Familien arbeitet, ist er auch für den Familiengottesdienst verantwortlich. Aus ersten Veränderungen entstehen weitere: Die Kirchenmusikerin hält die musikalische Andacht im Konfirmandenprojekt. Eine Quartiersmanagerin wird eingestellt, um in einer neu fusionierten Gemeinde den Zusammenhalt im Ort zu stärken. Ein überzähliges Pfarrhaus wird zum Veranstaltungshaus für Jugendliche umfunktioniert.
Vor allem für Gegenden mit einem starken Strukturwandel kann das eine echte Verbesserung bedeuten. In ländlichen Gebieten mit wenig hauptamtlichem Personal für mehrere Ortschaften steigt die Belastung für die Teams noch stärker als in der Stadt. Neue Arbeitsformen können helfen: Familiengottesdienste wandern von Dorf zu Dorf, Jugendarbeit wird rund um die Schulen angesiedelt, Selbsthilfe-Modelle und neue Beteiligungsstrukturen werden entwickelt.
Das Forschungsprojekt wurde von den Forscherinnen der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg in Zusammenarbeit mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD und einem Team der drei beteiligten Landeskirchen entwickelt. Ende März 2025 werden die Ergebnisse auf einer Tagung in der Ev. Akademie Hofgeismar vorgestellt: https://www.siekd.de/events/kirche-im-team/
Am 15. Mai 2025 gibt es an der EH Ludwigsburg die Gelegenheit, sich bei einem Fachtag über die Ergebnisse zu informieren und über die Weiterarbeit zu diskutieren.