Ergebnisse der Bürgerumfrage Ludwigsburg veröffentlicht

Ein spannendes Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für Angewandte Forschung der EH Ludwigsburg und der Stadtverwaltung Ludwigsburg wurde nun mit der Veröffentlichung des Ergebnisberichts abgeschlossen: Die erste Ludwigsburger Bürgerumfrage. 

Diese repräsentativ angelegte Erhebung wurde als reine Online-Befragung durchgeführt. Die „Grundgesamtheit“ bildeten alle 76.881 Einwohner*innen ab 16 Jahren mit Erstwohnsitz in Ludwigsburg zum Stichtag 31. Dezember 2021. In Anlehnung an das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg wurde die untere Altersgrenze bei 16 Jahren gezogen. Grundlage der Befragung ist eine 10.336 Personen umfassende Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermelderegister. Die um die nicht zustellbaren Fälle bereinigte Stichprobe umfasst 10.112 Personen. Insgesamt sind die Antworten von 3.195 Personen in die Auswertung eingeflossen, die Rücklaufquote liegt damit bei rund 32 Prozent. Das ist für eine reine Online-Erhebung ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis. Der Gesamtrücklauf befindet sich in einem vergleichbaren Rahmen von Befragungsstudien mit repräsentativ gezogener Stichprobe, die im „Mixed Mode“, also teils schriftlich und teils online, erhoben wurden. Bei reinen Online-Erhebungen war die Rücklaufquote meist deutlich geringer. Auch die Älteren wurden gut erreicht, was ein sehr interessantes Ergebnis ist. Das Interesse am Thema der Befragung scheint somit inzwischen den größeren Einfluss auf die Teilnahme an einer Befragung zu haben, als das Medium, über das die Befragung durchgeführt wird.

Die zentralen Fragestellungen des Projektes wurden zuvor gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung in einem sehr produktiven Workshop erarbeitet. Dabei wurden diese Themen festgelegt: 

  • Wie ist die Zufriedenheit mit dem Leben, was sind die Probleme, wie zufrieden sind die Bürger*innen mit der Stadt – und wie soll sie sich weiterentwickeln? 
  • Wie ist die Einstellung hinsichtlich des Klimawandels und Klimaschutz der Befragten? 
  • Wie sieht die Wohnsituation aus und wer möchte umziehen und wohin? 
  • Wie steht es um den sozialen Zusammenhalt in der Stadt und in welchen Bereichen engagieren sich die Befragten ehrenamtlich? 
  • Welches Bild haben die Befragten von der Stadtverwaltung und wie zufrieden sind sie mit ihr?

Antworten auf all diese Fragen gibt der ausführliche Ergebnisbericht, der nun veröffentlicht wurde und hier
(https://kidoks.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/3792/file/Buergerumfrage_Ludwigsburg_2022.pdf)
sowie auf
www.meinLB.de/umfrage verfügbar ist.

Die zentralen Ergebnisse der Bürgerumfrage

Drei von vier Befragten leben gerne sowohl in Ludwigsburg als auch in ihrer Wohngegend. Dabei gilt: Je älter, desto zufriedener sind die Befragten mit ihrer Stadt und ihrer Wohngegend. Dabei ist der Bezug zum Nahraum größer, das heißt, die Befragten identifizieren sich meist stärker mit ihrer näheren Umgebung als mit der Gesamtstadt. Insgesamt erreicht die Wohngegend in fast allen Stadtteilen ein etwas höheres Zufriedenheitsniveau als die Gesamtstadt.

Die Befragten bringen neben der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Leben in der Stadt auch konkret ihre Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen zum Ausdruck. Am besten bewerten sie die Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement und die kulturellen Angebote in Ludwigsburg, letztere scheinen aber eher ein älteres Publikum anzusprechen. Die jüngeren Befragten bewerten das kulturelle Angebot sowie das Angebot an Restaurants, Kneipen und Cafés unterdurchschnittlich und wünschen sich mehr Freizeitgestaltungsmöglichkeiten.

Eine bemerkenswerte Differenz zeigt sich auch bei der Bewertung des öffentlichen Nahverkehrs, von Radwegen und Grünanlagen: diese schneiden bei Familien deutlich schlechter ab als bei Befragten ohne Kinder.

Die wichtigsten Themen der Stadtentwicklung

Welches die wichtigsten Themen der Stadtentwicklung sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen spielt eine Rolle, welche mediale Aufmerksamkeit sie aktuell erfahren. Bei Themen, die aktuell in Ludwigsburg und in anderen Kommunen viel diskutiert werden, steigt in der Regel auch die subjektive Wichtigkeit unter den Rezipienten. Dazu zählen die Themen Bildung und Betreuung für Kinder, Wohnraum und Klimaschutz. Diese Themen gehören zu den drängenden Herausforderungen für die Stadt, und sie haben für alle Befragten auch die höchste Bedeutung für die zukünftige Entwicklung von Ludwigsburg. 

Insgesamt schlagen sich die Themen, die den Befragten am wichtigsten sind, auch in haushaltspolitischen Präferenzen nieder. In den Bereichen Wohnungsbau, Kindergärten und Kindertageseinrichtungen, Energiewende und Klimaschutz sprechen sich die Befragten klar für Zukunftsinvestitionen aus. Bei der Betrachtung des Verhältnisses zwischen erwünschten Mehrausgaben und Einsparungen wird deutlich, dass sich zwei Bereiche von den übrigen Themen abheben: Kindergärten und Kindertageseinrichtungen sowie der Wohnungsbau. Hier sind sich die Befragten weitgehend einig, dass die Stadt dafür künftig mehr Geld ausgeben sollte. Bei den anderen Bereichen differenzieren sich die Prioritäten je nach Lebenslage. 

Starkes Interesse am Geschehen in der Stadt

Etwa drei Viertel der Befragten sind am städtischen Geschehen, also an der Kommunalpolitik und der Tätigkeit der Stadtverwaltung, interessiert. Hinsichtlich des aktuellen Geschehens in der Stadt fühlen sich 54 Prozent der Befragten von der Stadt Ludwigsburg ausreichend informiert, nur zwei Prozent interessieren sich dafür nicht. Die häufigsten Informationskanäle sind Tageszeitungen und die städtische Webseite. 

Die Möglichkeit des persönlichen Kontakts mit Gemeinderatsmitgliedern oder den Besuch von Gemeinderatssitzungen nutzen die wenigsten Befragten. Dieser Weg kommt noch am ehesten für Senior*innen infrage, ist jedoch auch unter ihnen selten. Eine Bewertung der Stadtverwaltung und des Gemeinderats wollen oder können viele Befragte nicht vornehmen. Von denjenigen, die über ihren Eindruck von der Stadtverwaltung bei dieser Frage Auskunft geben, ist ein Drittel unschlüssig. Fast die Hälfte äußert sich jedoch zufrieden mit der Bürgerfreundlichkeit der Stadtverwaltung. Am zufriedensten sind hierbei wiederum die ältesten Befragten, während sich in der jüngsten Altersgruppe mehr Befragte unzufrieden als zufrieden zeigen.

Stadt hat Vorbildfunktion beim Klimaschutz

Das Bewusstsein für den Klimawandel ist in Ludwigsburg hoch. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten nimmt den Klimawandel als großes Problem wahr. Dabei sind es vor allem die jüngeren Befragten, die den Klimawandel besonders wahrnehmen. Die stärksten Anzeichen sind nach eigenen Angaben der Befragten Hitzeorte in der Stadt, Starkregen und die schlechte Luftqualität. Die meisten Befragten sehen auch eine Möglichkeit, selbst dazu beitragen zu können, die Folgen des Klimawandels zu begrenzen und dass sie durch ihr persönliches Handeln Einfluss auf den Klimawandel nehmen können.

Die hohe Bedeutung der Themen Klimawandel und Klimaschutz für die Entwicklung der Stadt führt dazu, dass sich fast zwei Drittel ein noch stärkeres Engagement der Stadt wünschen und bisherige Maßnahmen für nicht ausreichend halten. Auch wünscht sich die Mehrheit der Befragten mehr Informationen, sowohl zu den Aktivitäten der Stadt als auch zu den eigenen Möglichkeiten, um selbst etwas zum Klimaschutz beizutragen. Für viele nimmt die Stadt hier eine Vorbildfunktion ein. 

Zufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation

Die meisten Befragten sind insgesamt mit ihrer Wohnung zufrieden. Dazu trägt in erster Linie die Ausstattung der Wohnung bei, dicht gefolgt vom Zustand, der Größe und der Aufteilung der Zimmer. Das stärkste Manko sind die Wohnkosten, wobei diese von älteren Befragten und von Personen, die schon länger in Ludwigsburg wohnen, moderater bewertet werden. Ungefähr ein Drittel der Befragten hat vor, innerhalb der nächsten zwei Jahre unter Umständen aus der aktuellen Wohnung auszuziehen. Die häufigsten Gründe hierfür sind wohnungsbezogen, etwa weil die aktuelle Wohnung zu klein, zu schlecht ausgestattet oder zu teuer ist. Rund ein Drittel der Umzugswilligen möchte Ludwigsburg allerdings nicht verlassen, sondern sich innerhalb des Stadtgebietes oder des Stadtteils wohnlich verbessern. Letzteres gilt vor allem für Familien mit Kindern, die durch Kindergarten oder Schule stärker an den Stadtteil gebunden sind. 

Maßnahmen zur Wohnraumentwicklung

Angesichts der steigenden Nachfrage nach Wohnraum in Ludwigsburg ist die Wohnbauentwicklung eine Herausforderung für die Stadt, zumal die verschiedenen Maßnahmen von den Befragten sehr unterschiedlich bewertet werden. Besonders unbeliebt ist die „Nachverdichtung“. Mehr als die Hälfte der Befragten will nicht, dass bestehende Wohngebiete in Zukunft dichter bebaut werden. 

Der Bau von mehrgeschossigen Häusern und die Aufstockung der Gebäude ist für viele dagegen eine akzeptable Innenentwicklungsmaßnahme. Insgesamt eher umstritten ist, ob wieder mehr Wohngebiete im Randbereich ausgewiesen werden sollen. Interessant ist dabei auch, dass sich die Einstellung zu Innenentwicklungsmaßnahmen nach dem Wohnort im Stadtgebiet unterscheidet, während die zur Außenentwicklung mit der persönlichen Lebenslage verknüpft ist.

Sozialer Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft

Das soziale Klima in Ludwigsburg ist insgesamt gut, die meisten Befragten trauen der Nachbarschaft und helfen sich gegenseitig. 

Die gesellschaftliche Vielfalt in Ludwigsburg ist ein Gewinn – dieser Meinung sind zwei von drei Befragten in Ludwigsburg. Doch nur einer von drei Befragten glaubt, dass Menschen aus dem Ausland, die in Ludwigsburg leben, gut integriert sind. Dennoch wollen viele, dass die Stadt sich für die Akzeptanz verschiedener Bevölkerungsgruppen stärker einsetzt. Dabei werden besonders häufig Menschen mit Behinderung sowie Menschen mit Fluchterfahrung und ausländischer Herkunft genannt. Ein Viertel gibt an, in Ludwigsburg schon einmal eine Form von Benachteiligung einer Person erlebt zu haben. Ein Fünftel hat Diskriminierung schon einmal im persönlichen Umfeld erlebt und mehr als ein Zehntel selbst eine Diskriminierungserfahrung in Ludwigsburg gemacht.

Ehrenamtliches Engagement

Fast ein Drittel der Befragten hat sich in den vergangenen drei Jahren ehrenamtlich engagiert. Das größte Engagement liegt im Bereich Sport und Bewegung, gefolgt von Schule oder Kindergarten und Kirche oder Religion. Drei Viertel der Befragten sind ohne ehrenamtliches Engagement in diesen und weiteren Bereichen aktiv. Besonders häufig engagieren sich die jüngsten Befragten zwischen 16 und 25 Jahren. Diese Befragtengruppe ist deutlich häufiger als alle anderen Gruppen ehrenamtlich tätig.

Ein Zehntel der Befragten kam schon einmal mit Bürgerbeteiligungsprozessen am Wohnort in Berührung. Somit haben sich rund 90 Prozent der Befragten, die über diese repräsentative Bürgerumfrage erreicht wurden, zuvor noch nicht bei der Entwicklung ihrer Stadt eingebracht.

Weiterarbeit mit den Ergebnissen

Die Ergebnisse aus der Datenanalyse des IAF bieten vielfältige Hinweise und Anregungen für die Arbeit der Stadtverwaltung und des Gemeinderates. Diese können auch noch weiter aus dem großen Fundus der Ergebnisse schöpfen. Und die Erkenntnisse aus der Bürgerumfrage sollen außerdem in das Stadtentwicklungskonzept der Stadt Ludwigsburg einfließen, das die Ziele für das Verwaltungshandeln vorgibt. Da das Stadtentwicklungskonzept gemeinsam mit der Bürgerschaft und dem Gemeinderat regelmäßig überarbeitet und aktualisiert wird, soll es nicht bei dieser ersten Bürgerumfrage bleiben. Der gegenseitige Wissenstransfer und die Übertragung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis, und in diesem Fall sogar in die direkte Umgebung der Hochschule, ist ein großer Gewinn für beide Seiten. Diese gute Kooperation zwischen der Evangelischen Hochschule und der Stadt Ludwigsburg ist ein perfektes Beispiel für praxis- und anwendungsorientierte Hochschulforschung.